Laute Ruhe
Ein Ort, der mir gefällt, lässt sich vielleicht schwer für Leute fassen, die das hitzige Nachtleben lieben. Mitreißender Beat, laute Gespräche, pulsierende Bewegungen in den Clubs.
Dagegen scheint die Stille meiner Bibliothek eintönig und langweilig. Verstaubte, trockene Wälzer, die in endlosen Reihungen an Regalen die Zeit verschlafen. Bücher überall wohin ich schaue, kaum ein Mensch, der den Zauber stört. Ich bin allein, nur mit mir selbst, meiner Fantasie und den wahrwerdenden Träumen zwischen den Buchseiten.
Manchmal sitze ich da, gemütlich auf der Couch mit den Seiten eines Buchs zwischen meinen Fingern und mir fällt auf, dass sich diese zwei Welten, stille Bibliothek und dröhnender Club, nicht völlig unterscheiden lassen.
In meiner Welt der Fantasie bin ich niemals allein.
Ich fühle alles, juble oder weine mit den Charakteren, zittere vor Angst, bange voller Unbehagen oder vollführe Luftsprünge vor Freude. Ich tauche ein in die mitreißenden Welten hunderter verschiedener Leben.
Ich kann loslassen.
Genauso wie man in den tanzenden Lichtern loslassen kann.
Im Club, wenn die Menge verschmilzt, die Musik einen vom Boden der Realität losreißt und es für diesen Moment egal ist wer man ist oder woher man kommt.
Diese Momente, die sich diese zwei Welten teilen, sind die kostbaren Juwelen, die ich liebe. Die kostbaren Juwelen, weshalb ich sie begehre. So unterschiedlich man diese zwei Welten auch betrachten mag, eins haben sie gemeinsam: Man fühlt. Alles.
Lina Winter